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Oikocredit - Investition in Menschen
Am Freitag vor den Osterferien, am 23.03.18, konnte man im Gemeindesaal der
Segenskirche Petershausen den interessanten und vielseitigen Vortrag von Eva
Bahner hören, der äußerst kompetenten Bildungsreferentin für Süddeutschland von
»Oikocredit (nach dem altgriechischen
Begriff "Oikos", was so viel heißt wie Haus, Gemeinschaft, Geld, und dem
lateinischen "credere": glauben, jemandem vertrauen). Nur wenige Zuhörer waren
gekommen - ich kann mir nicht vorstellen, dass dies am Thema lag, denn das muss
doch uns alle bewegen!
Man
erfuhr nicht nur von den Bedingungen der Frauen in der Landwirtschaft auf den
Philippinen und wie gut man sich dort inzwischen zu helfen weiß, um die Familie
zu ernähren und Rücklagen zu schaffen, das Schulgeld für alle Kinder
aufzubringen und eigenständig und stark den Unwägbarkeiten von Wetter und
Regierung zu trotzen. Viel zu oft werden deren Anstrengungen von Großindustrie
- meist aus dem Ausland, sehr oft aus Deutschland! - und/oder korrupten
Machenschaften zwischen Regierung und den Reichsten des Landes ausgebremst.
Scheinbar gleichgültig schauen diese zu, wie sie selbst immer reicher und
mächtiger werden, während die Bemühungen der anderen, ein Leben in Würde für
alle zu erarbeiten, oft genug den Bach runtergeht, weil z.B. die Regenzeit zu
spät kam und sie pleite waren.
Hier greift Oikocredit: In vielen Regionen der Erde gibt es inzwischen vor Ort Initiativen und Genossenschaften, die die Schwierigkeiten im Mittelstand und vor allem in der Landwirtschaft und der Fischerei kennen, die sehen, welche Anstrengungen unternommen werden, damit eine Existenz ermöglicht wird. Die Funktion bereits bestehender Familien- und mittelständischer Betriebe kann aufrecht erhalten werden, indem Weiterbildung angeboten wird, z.B. Schulungen in nachhaltiger Energie-Erzeugung, Wasser und Energie sparen oder Beratung für den Katastrophenfall (Tsunami).
Die Mikro-Finanzpartner werden auch bei Risiko-Management und kundenorientierter Produktgestaltung beraten. Vor allem aber kann den Menschen vor Ort mit Geld geholfen werden, das nach fairen Maßstäben und mit auf den Einzelfall angepassten Kreditverträgen vergeben wird. Wohlgemerkt wird dieses Geld nicht für den laufenden Betrieb benötigt, sondern z.B. für die einmal jährlich anfallenden hohen Schulgelder und Ausstattung für die Schule, was einfach nicht aus den regelmäßigen Einnahmen zu leisten ist.
Hier hilft Oikocredit, eine internationale Genossenschaft. Sie arbeitet mit 800 Partner-Organisationen auf der ganzen Welt zusammen - ausgewählt nach wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Kriterien. Damit werden seit vielen Jahren sozial orientierte Mikrokredit-Institutionen finanziert. Verantwortungsvolle Unternehmensführung und selbst angelegte Sozial- und Umweltstandards sind Bedingung dafür. Auch die lokale Präsenz über einheimische Fachkräfte in über 30 Länderbüros tragen dazu bei, dass die Kredite den jeweiligen Bedingungen angepasst sind und das Geld nicht verloren geht. Neben Darlehen werden auch Kapitalbeteiligungen an jüngeren Unternehmen immer wichtiger, damit diese die kritische Wachstumsphase überstehen. Eine Flächenphotovoltaik-Anlage (mit 120 GWh pro Jahr und damit 7 % des Strombedarfs) in Honduras wurde so mitfinanziert und damit der Zugang zu sauberem und kostengünstigem Strom ermöglicht.
Die Gründung von Oikocredit geht auf Initiativen im Jahr 1968 aus den beiden großen deutschen Kirchen zurück, nachdem viele Gläubige nicht mehr einsehen wollten, dass ihr Geld in Kapitalanlagen verschwindet, die alles andere als "christlich" einzustufen sind. Man wollte etwas gegen Apartheit und für die Selbstbestimmung von Menschen in den sogenannten Entwicklungsländern tun. Wenig Rendite sollte bei großer Sicherheit der Geldanlage in Kauf genommen werden.
Inzwischen
kommen die Geldanlagen nur noch zu einem geringen Teil aus Kirchenkreisen,
vielmehr beteiligen sich Organisationen mit Fairhandels- und/oder
Bio-Zertifizierung, Partner in der Landwirtschaft, andere Genossenschaften und
sehr viele Privatinvestoren. Dabei gibt es nach wie vor keine höhere Rendite
als 2 % - das liegt in der Natur der Sache. Dafür aber hat der Anleger die
Gewissheit, dass damit »gutes Geld
gemacht wurde, also z.B. 5400 Haushalten im Jahr 2016 Zugang zu sauberer
Energie ermöglicht und 6960 Tonnen CO2-Ausstoß vermieden wurde. Inzwischen
profitieren 40 Millionen Menschen von Oikocredit.
Damit macht diese Genossenschaft genau das Gegenteil der deutschen Entwicklungshilfe (BMZ, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), die in den 70er-Jahren mit vielen Millionen den Bau eines Atomkraftwerks in der Nähe Manilas mitfinanzierte, und zwar unter der Bedingung, dass deutsches Know-How einfließen und 60 Prozent der Aufträge an deutsche Unternehmen gehen sollten - was auch geschah. Leider hatte man übersehen, dass der Grund genau in einer Gegend liegt, die durch vier aktive Vulkane extrem erdbebengefährdet ist. Jetzt steht dort seit Ende der siebziger Jahre eine riesige Bauruine, und man streitet noch immer um Bezahlung von Restkosten. Aber Hauptsache, der deutschen Wirtschaft geht es gut...
Mit einem jährlichen Mitgliedsbeitrag von 20 Euro und einer Einlage ab 200
Euro kann man Mitglied bei Oikocredit werden. Bis zu einer Einlage von 20.000
Euro bekommt man sein Geld innerhalb von vier Wochen zurück. Ich bin dabei!
Von Christa Jürgensonn, 26.03.18
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