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Paywalls machen das Web kaputt
Immer häufiger passiert es: Man sucht im Internet nach einem Stichwort, klickt
auf den Link der Suchmaschine zu einem Zeitungsbeitrag und erhält außer ein paar
wenigen einleitenden Zeilen nur den Hinweis, sich doch bitte zu registrieren, um
den Inhalt vollständig lesen zu können.
Angefangen hat es 1998 beim Wall Street Journal, 2010 folgte die Times aus London - die Paywall, deutsch Bezahlschranke, war geboren. Hintergrund war natürlich der journalistische Aufwand für die Berichterstattung, der nicht so recht zur Kostenlos-Kultur im Internet passt.
Ende 2014
meldete der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), dass bereits 100
deutsche Tageszeitungen eine Paywall verwendeten. Was bei den überregionalen
Zeitungen begann, setzte sich später bei den Lokalausgaben fort: Heute gehören
dazu unter anderem die Süddeutsche Zeitung und der Münchner Merkur mit ihren
jeweiligen Lokalteilen.
Dabei erfolgt die Bezahlung für Inhalte keineswegs immer in Form einer Abo-Gebühr, sondern teilweise auch mit den persönlichen Daten der Leserinnen und Leser, also nur scheinbar kostenlos. Nach Anmeldung mit einer E-Mail-Adresse ist für den Verlag vollständig nachvollziehbar, wer welche Beiträge liest. Dadurch kann Werbung zielgruppengerecht ausgespielt werden, und zwar nicht nur auf den jeweiligen Webseiten, wo man sie noch unterdrücken könnte, sondern auch per E-Mail (damit erklärt man sich bei Anmeldung etwa beim Merkur explizit einverstanden).
Für die Verlage ist eine Bezahlschranke ein zweischneidiges Schwert. Denn sie verringert ja auch die Zahl der Online-Leser erheblich, und das wiederum reduziert den Betrag, den man von Anzeigenkunden für Werbung verlangen kann. Der Marktanteil etwa der Times oder des Guardian ist nach Einführung der Bezahlschranken dramatisch gefallen; es wäre ein Wunder, wenn dies bei Lokalzeitungen anders wäre.
Die Folge der gesunkenen Einnahmen ist letztlich auch eine Verschlankung des redaktionellen Angebots. So hat etwa die Süddeutsche Zeitung die Lokalredaktionen in Dachau, Ebersberg, Freising/Erding, Fürstenfeldbruck und Wolfratshausen aufgelöst (wir berichteten im November 2024). In einem offenen Brief an die Geschäftsführung bedauert dies beispielsweise Alexander Heisler, Kreisvorsitzender der Grünen:
"Gerade im Landkreis Dachau muss doch die Erinnerungskultur gestärkt, aktiv gelebt und auch in den Medien sichtbar gemacht werden. In einer Zeit, in der auch die politische Debattenkultur immer öfter abgleitet, sind gute, unabhängige und seriöse Berichterstattungen immens wichtig. Wichtig, da unsere Gesellschaft im Kampf gegen Populismus und Extremismus jeden Tag die Stimme erheben und laut sein muss. Das geht nur in Verbindung mit Zeitungen, die eben auch lokal und vertrauenswürdig berichten. Auch wenn regionale Berichte weiterhin auf zwei Seiten im Münchner und im Bayernteil erscheinen sollen, büßen lokale Themen an Bedeutung ein, und ein kleines, aber sehr wichtiges Stück unserer Demokratie geht verloren."
Abgesehen davon machen Paywalls auch das Web kaputt: Suchmaschinen-Links liefern nicht mehr das gewünschte Ergebnis, sondern nur einen kurzen Anreißertext. Und niemand kann erwarten, dass sich ein Internet-Benutzer bei Hunderten unterschiedlicher Verlage anmeldet.
Von Herwig Feichtinger, 11.02.25
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