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Hochwasser - 2 Monate danach
Ende Mai 2024 warnte der Deutsche Wetterdienst vor ergiebigen Regenfällen in
Bayern, mit großflächigen Ausuferungen sei zu rechnen. Am Samstag, den 01.06.24,
überschritt die Glonn am Pegel Hohenkammer die Meldestufe 1. Wenige Stunden
später stand das Wasser im unteren Teil unseres Gartens. Um 16 Uhr brachten wir
das Auto aus der Garage zu einer höher gelegenen Stelle. Das Wasser stieg
währenddessen so langsam, dass wir zusammen mit den Leuten der Feuerwehr noch um
21 Uhr dachten, dass das Schlimmste vielleicht vorbei sei. Das war nicht der
Fall: Gegen 22 Uhr stellten wir dann den Strom im Haus ab.
Irgendwann
war auch der Zugang zu unserem Haus in der Nähe der Glonnbrücke in Petershausen
überschwemmt. Drei der sieben Kellerfenster hielten dem Druck nicht mehr stand,
als das Wasser einen halben Meter über ihrer Oberkante stand: Lange ergoss sich
mit lautem Plätschern das Wasser in unseren Keller. Es klirrte öfter, man hörte
Regale und Schränke krachend kippen. Gegen 1 Uhr am 02.06.24 blieb das Wasser
zunächst unterhalb der obersten Kellerstufe stehen.
Dann kam aber eine Flutwelle mit starker Strömung aus Richtung Asbach, und das Erdgeschoss wurde etwa 15 cm hoch geflutet. Wir setzten uns auf die Treppe zum 1. Stock und warteten. Feuerwehrler klopften an die Haustür, um mitzuteilen, dass wir per Rettungsboot evakuiert würden, aber sie wüssten nicht, wann.
Am
Sonntagmorgen um 6 Uhr war das Schlauchboot für uns da. Wir mussten durch den
Garten zu Fuß durch hüfthohes Wasser zum Boot, in Unterhose und Anorak, die
Oberbekleidung in einer Plastiktüte. Das Auto stand noch auf der Anhöhe, und wir
fuhren erst einmal zu einer Verwandten nach München.
Bereits am Sonntagabend konnte man wieder ohne Gummistiefel zum Haus gehen, und das Erdgeschoss war fast frei von Hochwasser. Ab Montag pumpte die Feuerwehr den Keller langsam leer. Ab Dienstagmittag konnten wir mit dem Ausräumen anfangen. Strom bekamen wir von einem Dieselaggregat der Feuerwehr.
Es war unglaublich, wie viele bekannte und unbekannte Helfer und Helferinnen auf einmal da waren und all die nassen Sachen aus dem Keller schleppten. Auch am Mittwochvormittag wurde noch ausgeräumt und danach der ganze Keller mit einem Nasssauger ziemlich gut gereinigt.
Wir
fanden per Handy im Internet eine Firma aus Odelzhausen, die unsere patschnassen
acht Teppiche schon am Mittwochnachmittag abholte, reinigte und erst acht Wochen
später zurücklieferte, als alles wieder halbwegs in Ordnung war. Und ebenso
fanden wir eine Firma aus Eggenfelden, die schon am Freitag Trocknungsgeräte
aufstellte und Löcher durch den Keller-Estrich und die Zwischenwände im
Erdgeschoss bohrte, wo warme Luft eingeblasen wurde, damit das Trocknen
effektiver und schneller und nicht nur durch die Raumluft erfolgte.
Das funktioniert so allerdings wohl nur bei einer Bauweise wie der unseres 1987 erbauten Doppelhauses: Auf der Betonkeller-Wanne steht ein Fertigbau in Holzständertechnik. Relativ eng stehende Holzbalken sind mit Span- und Gipskartonplatten verkleidet. Innenwände trocknen so schneller ab. Die Außenwände sind doppelt so dick, hier befindet sich zwischen den Balken und Wänden ca. 5 cm dicke Mineralwolle als Isoliermaterial.
Aber so ein Haus ist auch nicht wirklich dicht: Zum einen ist der Übergang vom Kellerbeton zu den Holzwänden im Erdgeschoss nicht wirksam abzudichten, zum anderen lässt der Trockenestrich im Erdgeschoss einiges durch. Hier mussten Böden und Estrich schnellstmöglich herausgerissen werden, um Schimmel zu vermeiden. Auch das machten selbstlose Helfer in stundenlanger Arbeit. Darunter fanden sich große Wasserlachen auf dem unbeschadeten Beton der Kellerdecke.
Wir hatten bald wieder heißes Wasser dank unserer Solarthermie-Anlage auf dem Dach und einer einfachen Steuerung dafür vom Heizungsbauer aus Asbach, der uns allerdings mitteilen musste, dass unsere erst sieben Jahre alte Gasheizung in wesentlichen Teilen ersetzt werden müsste, da die Elektrik und Elektronik eine Überflutung - immerhin fast 72 Stunden - nicht aushalten würden.
Strom hatten wir inzwischen von einem Baustrom-Kasten vor dem Gartenzaun, der vom Landratsamt bei uns aufgestellt wurde. Denn bis wir überall im Haus wieder den eigenen Strom hatten, dauerte es Wochen: Eine 300-Watt-Powerbox mit Lithium-Ionen-Akku und 230-V-Ausgang lieferte uns bis dahin stundenweise Strom für Licht, Telefon, Internet, Laptop und Handy-Ladegerät. Der Sicherungskasten und alle Steckdosen und Schalter im Keller mussten getauscht werden. Gut, dass wir schon vor der Katastrophe Kunde beim hiesigen Elektriker waren, der immer schnell da war, wenn wir ihn brauchten.
Die Trocknerfirma meinte beim nächsten Messen der Feuchtigkeit, dass wir die Außenwände bis zu einer Höhe von ca. 20 cm innen öffnen sollten, um das nasse Isoliermaterial zu entfernen. Wir erinnerten uns an einen guten Freund, Meister des Trockenbaus, der tatsächlich am Tag darauf (21.06.24) alle Wände mit Spezialsägen öffnete und mit einem Messer die tatsächlich tropfnasse Isolierwolle abschnitt und herausnahm. Wieder waren es Helfer, die nach seiner Anweisung alles so weit sorgfältig freilegten, dass später die Wände wieder ordentlich zugemacht werden konnten. Diese Maßnahmen halfen, dass im Erdgeschoss die Trocknergeräte bereits wieder abgebaut waren und Lärm und Hitze nur noch im Keller störten.
Möbel und Hausrat aus dem Erdgeschoss waren in die Garage, auf die überdachte Terrasse und ins Obergeschoss verteilt. Ohne die Helfer wären wir aufgeschmissen gewesen und ins Altersheim gegangen!
Am 5. Juli wurden die Außenwände vom Trockenbauer wieder geschlossen und dann das ganze Erdgeschoss neu geweißelt, so dass die (Münchner) Firma, die zur Verlegung des Trockenestrichs für 8. Juli angekündigt war, dem nicht in die Quere kam. Am 15. Juli war der Estrich drin und Diele, Duschraum, Küche von derselben Firma neu gefliest.
Die alte Küche wurde mit neuen Geräten wieder eingebaut, Wasser vom Installateur und der Herd vom Elektriker aus Indersdorf, der auch die neuen Geräte brachte und einbaute, wieder angeschlossen. Die alte Waschmaschine machte - wohl wegen Sand im Motor - Geräusche wie ein Düsenjet beim Abheben und musste ersetzt werden, ebenso die Spülmaschine, bei deren Anschließen sofort der FI-Schutzschalter flog.
Nachdem alte und neue Helfer den neuen Boden in zwei Zimmern am 27. Juli verlegt und die Sockelleisten montiert hatten, wurde auch noch die Wohnzimmer-Schrankwand aufgebaut, und wir hatten kaum zwei Monate nach der Katastrophe ein neues Erdgeschoss und einen sehr aufgeräumten Keller - überwältigt von Hilfsangeboten und Hilfen so vieler Menschen, was wir tatsächlich nicht für möglich gehalten hatten und was uns unendlich dankbar gemacht hat. Und bald haben wir auch die schon bestellten neuen Kellerfenster vom hiesigen Schreiner, dick verglast mit Holzrahmen, eingeschweißt in den Beton der Kellerwanne - was womöglich das Schlimmste verhindert hätte.
Wir haben gerade einmal zwei Monate nach dem katastrophalen Hochwasser wieder ein gemütliches Zuhause!
Von Christa Jürgensonn, 07.08.24
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