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Corona - Märchen und Fakten
Aus richtigen Informationen lassen sich leicht falsche Schlussfolgerungen
ableiten. So schrieb der Kinderarzt Dr. Martin Hirte am 19.08.20, die
Corona-Pandemie sei jetzt vorbei, und begründet dies mit zurückgehenden
Neuinfektionen, Krankenhaus-Behandlungen und Toten. Mit solchen Äußerungen, die
von keinem anderen Arzt oder gar Wissenschaftler belegt sind, findet er in der
Bevölkerung Nachahmer, die, aus welchem Grund auch immer, seine
Fehlinterpretationen an Dritte weitergeben und so versuchen, eine
Verschwörer-Gemeinde gegen die uns alle nach wie vor bedrohende Pandemie zu
bestärken.
Die täglich vom Gesundheitsamt Dachau und vom Robert-Koch-Institut (RKI) herausgegebene Statistik spricht leider eine andere Sprache. Jetzt, Ende August, ist die Zahl der neu Infizierten so hoch wie zuletzt Ende April. Die Krankenhaus-Aufenthalte und zum Glück auch die Verstorbenen blieben nur deshalb auf niedrigem Niveau, weil sich die Risikogruppe der Älteren vorsichtiger verhielt. Viele Jüngere infizierten sich im Urlaub oder bei Parties, was das Durchschnittsalter der Betroffenen deutlich reduzierte.
Den Teilnehmern der sogenannten Hygiene-Demos kommen Argumente wie die von Dr. Hirte sehr gelegen, sehen sie doch die Maskenpflicht in Geschäften oder im ÖPNV als Freiheitsberaubung oder gar als Manipulation der Menschen. "Kennst Du jemanden, der tatsächlich infiziert ist? Oder der gestorben ist?" wurde ich kürzlich von einem Bekannten gefragt, so, als ob die veröffentlichten Zahlen frei erfunden wären. Und er behauptete weiter, dass hinter all dem Bill Gates stecke, der mit Hilfe seiner Spenden an die World Health Organization (WHO) eine breit angelegte Impfung mit Mikrochips vorbereite, mit der wir über neu aufgestellte 5G-Mobilfunkmasten beeinflusst und ferngesteuert werden könnten.
Innerhalb der Virologen-Schar gibt es natürlich auch Meinungsunterschiede. So sagt Prof. Dr. Hendrik Streek, dass eine weitere Ausbreitung des Virus in Kauf genommen werden sollte, um eine Herden-Immunität zu erreichen. Die meisten seiner Kollegen verweisen allerdings auf die hohe Todesrate in Schweden, wo man genau das versucht hatte und nun radikal umsteuert.
Zur Ansteckungsgefahr durch Kinder, bei denen selbst meistens ein milderer Verlauf zu beobachten ist, hieß es zunächst, dass diese gering sei. Inzwischen haben die meisten Virologen dazugelernt und empfehlen Vorsichtsmaßnahmen bei der Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten.
Wenn es gelingt, eine zweite Welle mit konsequenten Vorsichtsmaßnahmen klein zu halten, bis es Anfang 2021 hoffentlich schnellere Tests, eine bessere Behandlung und womöglich einen wirksamen Impfstoff gibt, dann bleiben uns größere Schäden erspart, die uns bei Experimenten mit Herden-Immunität, Ignoranz der Gefährlichkeit von Covid-19 oder kruden Verschwörungstheorien unweigerlich drohen würden.
Der frühe Ruf nach einer Lockerung von Maskenpflicht, Hygiene- und Abstandsregeln führt letztlich zur Frage, wie viele Schwerkranke und Tote man in Kauf nimmt, damit Wirtschaft und Kultur wieder ungehindert brummen. Das aber wäre eine menschenverachtende Abwägung.
Von Herwig Feichtinger, 21.08.20
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